Der Übergang

Der Übergang


Es ist still. Man kann tatsächlich nichts hören. Keinen Ton. Kein Geräusch. Oder kann ich einfach nur nicht mehr hören? Ich sehe auch nichts. Alles schwarz. Nein, nicht wirklich schwarz. Aber auch nicht hell. Mann, ist das komisch.


Kann ich denn etwas schmecken? Riechen? Das gibt`s doch gar nicht. Wie geht das? Okay, aber fühlen? Beginnen wir damit, worauf ich gerade mit meinen Füßen stehe. Auf was stehe ich denn? Ich kann es nicht sagen. Kann nicht sagen, ob es weich oder hart ist. Ich kann noch nicht mal sagen, ob ich überhaupt auf etwas stehe. Das ist doch verrückt. Sämtliche Sinne fehlen mir, aber irgendwie habe ich das Gefühl, ich hätte sie alle noch. Da! Ich habe es mir selbst gesagt. "habe das Gefühl."


Ist er da? Sind sie da? Oh, bitte, bitte, lass sie da sein. Dieser Geruch. Das ist er! Ich kann ihn riechen. Quatsch, das bilde ich mir doch nur ein. Aber gerade merke ich, dass ich denken kann. Scheinbar funktioniert das noch sehr gut. Ich kann also denken. Oder sind das nur Gedanken in einem Traum? Nein, ein Traum ist das nicht, das weiß ich. Das ist mir bewusst. Habe ich den Übergang eigentlich mitbekommen? Ich weiß es nicht mehr. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Eigentlich kann ich mich an gar nichts mehr erinnern. Vielleicht ist es auch besser so.


Was war das? Das war doch ein Tapsen. Mensch, das kenne ich doch. Das war ein Tapsen, da bin ich mir ganz sicher. Genau dieses Tapsen werde ich nie vergessen. Vierzehn Jahre habe ich dieses Tapsen gehört. Das muss er einfach sein. Also, höre ich ja doch. Oder bilde ich mir das nur ein und ich sollte es unter "Denken" abheften? Nein, das ist ein Tapsen. Ich spüre! Ich kann doch spüren! Fühlen. Denn ich fühle die Träne, die gerade mein Auge verlässt und an der Backe herunterläuft.


Das Tapsen wird hörbarer. Ich sehe noch immer nichts. Jetzt rieche ich Dich, Junior. Ich rieche Dich, Du Scheißer. Jedes einzelne Haar rieche ich. Dann kein Tapser mehr. Ich halte die nicht vorhandene Luft an. Ich weiß genau, er steht direkt vor mir. Ich weiß, Du schaust mir ins Gesicht, Schatzie. Ich sehe Dich nicht, aber doch sehe ich Dich. Fühlen, Schmecken und Hören ergibt für mich auch ein Bild. Ich gehe in die Hocke und spüre genau, wie wir beide uns gerade ansehen. Ich umarme Dich, wie ich Dich noch nie umarmt habe. All die 14 Jahre stecken in dieser Umarmung. Ich habe Raum und Zeit verlassen. Ich kann nicht sagen, wie lange ich Dich umarmt habe, Junior. Ich will Dich nie wieder loslassen.


Du drehst Dich um. Das kann ich hören und erahnen. Du gehst ein paar Schritte und ich spüre, wie Du stehen bleibst. Stille wieder. Aber eine Stille, die so viel Glück ausstrahlt. Schritte sind leise zu hören. Der Kloß in meinem Hals verdickt sich und jedes Schlucken wird von Tränen begleitet. Ich habe das Gefühl, literweise zu weinen und ich kann es nicht stoppen. Oh, bitte, bitte. Darf das sein? Ist er es? Oh, bitte, bitte. Ich kann nicht sprechen. Es ist auch nicht nötig. Jedes Wort kann nicht ausdrücken, was ich gerade empfinde.


Ich rieche Dich! Ich spüre Dich. Endlich. Jetzt habe ich Euch beide. Nichts kann mehr passieren. Das ist Ende und Anfang. Das ist nicht Gut und Böse. Das ist nur gut. Die Reinheit von gut. Noch nie habe ich etwas so Wunderschönes erlebt. Vielleicht muss man nicht mehr leben, um so einen Moment empfinden zu dürfen. Ich habe Dich so vermisst, Papa. Ich habe Euch beide so vermisst.

Ich folge Euch beiden. Egal, wo die Reise auch hingehen mag. Ich bin umarmt von Liebe.

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